Genau, richtig gelesen, es waren 41 und nicht 40 Wochen! Wenn mir vorher jemand gesagt hätte, dass eine Schwangerschaft meine Geduld dermassen auf die Probe stellen wird, wäre ich wahrscheinlich nie schwanger geworden. Spass beiseite, aber mit der Geduld oder besser gesagt meiner Ungeduld hatte ich am meisten zu kämpfen. Auch alle weiteren Wehwehchen, aufregenden Momente und Tiefpunkte meiner Kugelzeit möchte ich gerne mit euch teilen. Liam hat euch die Sicht eines Mannes schon gezeigt, nun bin ich an der Reihe!
Mutig, ein junges Mami zu sein
Schon immer wollte ich Kinder. Wenn ein Baby in meiner Nähe war, wollte ich es tragen, kuscheln und auch vor dem Wickeln habe ich nie zurückgeschreckt. Als Babysitterin habe ich in der Sekundarschule mein erstes Taschengeld verdient und als Jungscharleiterin mit den Sorgen von etwas grösseren Babys (Teenagern) gekämpft. Fest stand auch, dass ich gerne ein junges Mami sein möchte. Bei vielen Leuten hat das wahrscheinlich zu Augenrollen geführt, denn ich habe ja studiert, auf eine anschauliche Karriere hingearbeitet und nun alles kurzzeitig auf Eis gelegt. Ich möchte jetzt aber keine Abhandlung über Kind und Karriere schreiben, denn für mich ist es klar kein Widerspruch. Ich bin jung, voller Elan und so habe ich für viele Dinge genügend Energie.
Schon öfters habe ich gedacht, die Liebe meines Lebens gefunden zu haben und dann hat es doch nicht geklappt. Mit Liam war aber alles ein wenig anders – auch manchmal ein wenig komplizierter – aber wir haben nie lange gefackelt sondern immer gleich Nägel mit Köpfen gemacht. Auch wenn nicht immer alles perfekt ist, wenn man sich dazu entscheidet, sein Leben mit einem Menschen zu verbringen, muss man eben so einiges in Kauf nehmen. So kitschig das klingt, aber die Liebe ist tatsächlich eine Reise. Auf alle Fälle stand die Entscheidung „Kind jetzt? Ja/Nein?“ nach einer gesundheitlichen Beeinträchtigung meinerseits schnell im Raum. Wir haben uns dafür entschieden. Und als es dann konkret wurde, war ich auch schon schwanger. Ich habe es gespürt, irgendwas hat sich da getan in meinem Körper. Und genau am ersten Tag an dem Schwangerschaftstests möglich sind, wollte ich ihn natürlich durchführen. So habe ich ihn gleich nach dem Aufstehen gemacht, Liam im Halbschlaf gezeigt, er konnte aber keinen zweiten Strich erkennen. Innerlich habe ich mich schon riesig gefreut, weil ich eben zwei Striche gesehen habe. So war ich schon etwas traurig über Liams Reaktion. Aber nach dem zweiten, dritten und vierten Test gab es keine Zweifel mehr: Es hat geklappt. Das Gefühl war unbeschreiblich, aber irgendwie konnten wir es noch gar nicht glauben. In wenigen Monaten sind wir schon eine richtige Familie! Wobei sich die „wenigen“ Monate ewig angefühlt haben.
Angst, Tränen, Rivella und Ungeduld
Ich fühlte mich gut, hatte zu Beginn der Schwangerschaft noch keine Beschwerden und wollte die erste Zeit natürlich geniessen. Aber eine riesengrosse Angst lähmte mich. Ich hatte Angst, etwas falsches zu essen, etwas falsches zu tun und natürlich Angst, das Baby zu verlieren (was ja in den ersten 12 Wochen nicht ungewöhnlich ist). Als ich dann aber die Herztöne das erste Mal in der 11. Woche hörte und nach einem Appell meines Gynäkologen, hatte sich die Angst etwas gelegt. Dafür hatte ich pünktlich bis zum Israel Urlaub mit starker Übelkeit zu kämpfen. Sobald ich unser kleines Böhnchen in meinem Bauch spürte, fühlte ich mich sicherer und die Sorgen legten sich. Ich habe das Urvertrauen in meinen Körper wiedergefunden. Das verschwand aber dann einige Wochen vor der Geburt wieder. Denn ja, die Geburt rückte eben immer näher. Aber auch da habe ich ein Glückslos gezogen und alles verlief kurz, reibungslos (obwohl ich natürlich immer mal wieder dachte, ich würde sterben) und brachte mir endlich mein Böhnchen näher. Ganz nah an meinen Körper und für immer in mein Herzen.
Was meine Gefühlswelt anbelangt, entsprach ich absolut einer Klischeeschwangeren. Ich kann mich noch erinnern, dass ich Liam dazu überredete, eine Romantikkomödie zu schauen und dann wirklich zweieinhalb Stunden durchgeweint habe. Und immer, wenn ich die frohe Botschaft verkünden durfte, war ich den Tränen nahe. Ich habe sogar meiner lieben, ältesten Freundin eine Art Liebesbrief geschrieben. Zickig war ich natürlich nie ?.
Altbekannt sind ja auch die speziellen Gelüste von Schwangeren. Grösstenteils blieb ich zwar verschont, aber meine Vorliebe für Rivella verwandelte sich doch eher in eine Sucht. Ansonsten ass ich schon mehr Ungesundes, aber hatte mich weitestgehend unter Kontrolle. Zum guten Glück! Obwohl mein Körper eher noch einem Slimy (dieses glibberige, grüne Zeug von früher) ähnelt, habe ich mein Startgewicht bereits wieder erreicht. Meine eher moderate Gewichtszunahme war aber auch von zwei anderen Faktoren abhängig: Erstens war ich vor der Schwangerschaft keine Bohnenstange und zweitens hat mir jemand gesagt, dass ausgedehnte Spaziergänge wehenfördernd sind. So habe ich die letzten Schwangerschaftswochen unzählige Kilometer hinter mich gebracht. Allgemein habe ich mich lange nicht mehr so viel bewegt wie während der Schwangerschaft und es hat mir wirklich gut getan. Vor allem das Schwimmen bewahrte mich vor Rückenschmerzen.
Das Thema Beschäftigungstherapie bekam einen ganz anderen Sinn für mich. Über meine Ungeduld alleine könnte ich locker ein Buch schreiben. Das war für mich das allerschlimmste. Zuerst will man endlich den Herzschlag hören, dann möchte man endlich das positive Ergebnis des Ersttrimesterscreenings hören, dann möchte man endlich die ersten Tritte spüren, einen Bauch bekommen und als das alles eingetroffen war, wollte ich unsere Bohne endlich in die Arme schliessen können. Und der kleine Mann hat es sich so bequem gemacht, dass er gar keine Eile hatte, pünktlich zu kommen. Kochen, Backen, Spazieren, Essen gehen, Malen, Aufräumen, Putzen – nichts hat geholfen, meine Ungeduld zu überwinden. Aber als meine Ungeduld und die Frustration nach dem letzten Untersuch ihre Höhepunkte erreichten, erblickte der kleine Mann in derselben Nacht noch das Licht der Welt. Liam war übrigens der beste „Geburtshelfer“, den Frau sich wünschen kann! Und ich wurde nicht mal zur Furie sondern war trotz starken Schmerzen zahm wie ein Kätzchen ?. Ich verschone euch mit einem detaillierten Geburtsbericht, aber so viel sei verraten: Ja, es tut wahnsinnig weh!
Die erste Woche mit einem neuen Mitbewohner
So ein kleines Menschlein stellt den Alltag ab Tag eins auf den Kopf. Nebst Stillen, Wickeln, die kleine Bohne beobachten und sich ständig fragen „Oh, ist das normal?“ oder „Was fehlt ihm?“ steht natürlich das Kennenlernen an erster Stelle. Jede Sekunde entdeckt man etwas Neues an dem kleinen Menschlein, das aus dem eigenen Fleisch und Blut besteht. Den Geruch, die süssen, etwas überdimensionalen Öhrchen (die hat er definitiv von Liam!), seine unbeholfenen Bewegungen, die Schmatzgeräusche beim Trinken, sein Quicken beim Schlafen und sogar eine volle Windel – alles ist so wahnsinnig faszinierend und überwältigend. Unsere Bohne ist auch wirklich ein Geschenk und ein zufriedenes Kerlchen. So haben wir schnell einen Rhythmus gefunden, finden ab und an Zeit für eigene Dinge und unser Zuhause sieht noch nicht messiehaft aus. Aber eines schmerzt jetzt schon: Die Zeit vergeht viel zu schnell. Eine Nachbarin hat das treffend formuliert „Einmal mit der Wimper gezuckt und schon werden sie eingeschult!“. So fühlt es sich wirklich an.