Das ‘50 Tage ohne Zucker’ Experiment – Auszüge aus meinem qualvollen Tagebuch

Letzten Herbst wusste ich, dass sich etwas ändern musste. Nach dem geglückten Marathon hatte ich mein Training und meine Disziplin vernachlässigt und es zeigte sich langsam rund um die Bauchgegend.

Die Hosen wurden enger und die Joggingschuhe wurden weniger oft angezogen. Ein Urlaub mit unzähligen Roadtrips folgte und ich fühlte mich so unsportlich wie schon lange nicht mehr. Unnötige Kalorien in der Form von Süssigkeiten und anderen Schlemmereien schlichen sich in den Alltag ein und trugen diesem Leid nur bei. Ich musste den menschlichen Reset-Knopf finden und betätigen.

Dieser Reset-Knopf war, so meine Überlegung, leider kein physischer Schalter, sondern eine drastische Änderung meiner Ernährung. Mein Ziel: 50 (fünfzig!) Tage lang auf jeglichen raffinierten Zucker verzichten, um wieder auf die richtige Spur zu gelangen.

Erste Erkenntnis: Zucker ist überall

Mir war zwar bewusst, dass Zucker in vielen vorgefertigten Produkten enthalten ist, aber was ich in den ersten Tagen feststellen musste, hat mich trotzdem überrascht. Zucker ist überall drin. Ich fordere euch dazu auf, euren Vorratsschrank aufzumachen und alles, was in einem Glas oder einer Dose ist zu untersuchen. Ihr werdet kaum etwas finden, das keinen zusätzlichen Zucker enthält.

Ob Pesto vom Supermarkt, Randen im Glas oder Fertigsuppen im Beutel, alles enthält Zucker. Wieso das so ist, weiss ich nicht. Sogar in gewissen Hüttenkäse, einem der ultimativen Fitnessfoods, ist Zucker enthalten (ich spreche dich an, Migros). Mich würde ein Blindtest, ob man den Unterschied auch wirklich schmeckt, interessieren. Der Hüttenkäse ohne zusätzlichen Zucker schmeckt mir nämlich besser als der mit.

Für mich bedeutete dies nicht nur, dass ich auf diese Leckerbissen verzichten musste. Nein, alle Alternativen dazu würde ich selbst zubereiten müssen. Rückblickend war das aber gar nicht so schlecht. Ist Körper und Geist abgelenkt, hat er keine Zeit, Gedanken an die süsse Verführung von Zucker zu verschwenden. Die zusätzliche Arbeit in der Küche hiess ich also willkommen.

Die Regeln des Experiments

Der gewählte Titel ist, so wie er oben steht, nicht ganz korrekt. Nicht jeglicher Zucker sollte ausgeschlossen werden. Mein Ziel war es nicht, Anhänger der ketogenen Religion Diät zu werden. „Nur“ raffinierter Zucker, auch oft als zusätzlichen Zucker beschrieben, sollte vermieden werden. Alles, was Zucker in der Liste der Zutaten hatte, war Tabu. Auch Honig, Ahornsirup und andere Zucker-Säfte wurden ausgeschlossen.

Früchte gingen aber in Ordnung. Ich verzichte nur ungern auf meinen täglichen Apfel und heute ist grundsätzlich akzeptiert, dass die Fructose aus Früchten durch die Ballaststoffen und Vitamine negiert wird. Fruchtsäfte gehören aber zu den Zucker-Säften, da diese kaum besser als ein Süssgetränk sind. Für mich kein Problem, auf Fruchtsäfte habe ich schon länger verzichtet.

Diverse Früchte, Äpfel, Bananen, Birnen und Orangen, in einer Schüssel
Ganz okay: Früchte waren meine Alternative.

Eine weitere Regel war, dass ich dieses Experiment in Form eines Tagebuchs dokumentieren würde. Ich habe mir keine Vorgaben über Häufigkeit und Länge gemacht. Ein paar Sätze würden ausreichen. Einfach kurz beschreiben, wie ich mich Fühle und welche Gedanken in meinem Kopf herumschwirren. Anhand dieses Tagebuchs, während den ersten Wochen auch als qualvolles Tagebuch bezeichnet, entstand dieser Artikel.

Die ersten Wochen – Entzugserscheinung und miese Laune

Die ersten zwei und weitaus schlimmsten Wochen des Experiments haben mich daran zweifeln lassen, ob ich es zu enden führen kann. Die ersten Tage vergingen problemlos. Aber dann geschah es. Die Entzugserscheinungen schlichen sich langsam in den Alltag und erreichten ihren Höhepunkt (oder Tiefpunkt?) nach ungefähr fünf Tagen: Kopfschmerzen, miese Laune und der Drang zu naschen dominierten meine Gedanken.

Arbeitskollegen, die Schokolade dabei hatten, verärgerten mich und jegliches Angebot abzulehnen, kostete mehr Kraft, als ich mir gewünscht hätte. Es war, als ob dunkle Wolken mein Gehirn durchzogen hatten. Meine Konzentration hatte ich irgendwo liegen lassen und es brauchte eine Menge Disziplin mich nur fünf Minuten auf etwas zu konzentrieren.

Meine Energie war auch am Ende. Am liebsten hätte ich mich irgendwo in eine dunkle Höhle verzogen und einfach nur geschlafen. Mit einem chaotischen Böhnchen zu Hause war das aber nicht möglich. Ich hatte keine andere Wahl, als mich durchzukämpfen und einfach abzuwarten. Bald, so hoffte ich mir, würde alles wieder besser werden.

Routine nach drei Wochen – Ich brauche den Zucker nicht

Endlich konnte ich wieder Licht am Ende des endlosen Tunnels erblicken. Erst nur das Flackern einer Kerze, aber es reichte aus, mir Hoffnung auf ein gutes Ende zu geben. Die dunklen Wolken verzogen sich langsam aber sicher und der erste Anschein des blauen Himmels war nach dem unendlich vorkommenden Gewitter zu erkennen. Die Lage war zwar noch nicht sicher, aber sie stabilisierte sich langsam wieder. Meine Konzentration erholte sich langsam wieder. Der Verzicht auf Kuchen und Schokolade wurde langsam zur Routine. Das Nein fiel mir nicht mehr so schwer.

Tag für Tag wurden auch die körperlichen Beschwerden weniger. Die Kopfschmerzen waren nur noch ein Geräusch im Hintergrund. Sogar meine miese Laune konnte ich hinter mir lassen. Hatte ich es tatsächlich geschafft? Nach vier Wochen war ich mir sicher, dass ich die fünfzig Tagen überleben konnte. Es gab zwar immer noch Tage, die ich am liebsten abgeschrieben hätte, diese wurden aber immer seltener. Das Kerzenlicht hatte sich zu einem Buschfeuer gemausert.

Verlust des Verlangens nach Zucker nach fünf Wochen

Nach ungefähr fünf Wochen folgte eine überraschende Erkenntnis: Ich hatte keine Lust mehr auf süsses Essen. Kein Verlangen nach Schokolade. Kein Drang, das letzte Stück Kuchen im Pausenraum zu vernaschen. Nix. Nada. In diesen Wochen hatte ich das Gefühl, es geschafft zu haben. Es kostete keine Kraft mehr, auf Zucker zu verzichten und auch die körperlichen Beschwerden waren allesamt verflogen.

Weihnachten als krönender Abschluss

Ich wollte den erfolgreichen Abschluss des Experiments so einplanen, dass ich das Überstehen der fünfzig Tage auch richtig feiern konnte. Und so war der Plan, dass ich kurz vor Weihnachten den fünfzigsten Tag feiern würde. Konnte ich mich aufgrund des vorherigen Verzichts über die Festtage etwas zurückhalten? Auf keinen Fall. Es wurde den ganzen Tag lang gegessen und genascht.

Ein grosses Stück Schokoladenkuchen
Der krönende Abschluss: Ein fettes Stück Kuchen!

Mehr Energie? Erhöhte Produktivität?

Bestimmt kennt ihr auch eine Person, die jede einzelne Mahlzeit analysiert und immer von den Schrecken des Zuckers erzählt. Und wenn ihr sie nicht kennt, habt ihr davon gelesen. Seitdem sie auf Zucker verzichten, hätten sie viel mehr Energie und ihre Produktivität sei um das Hundertfache gestiegen. Kann das alles wirklich stimmen? Auch ich habe mich dasselbe vor dem Experiment gefragt. Meine Prognose war, dass bei mir keiner dieser Nebeneffekte eintreten wird. Damit will ich nicht sagen, dass mir nicht bewusst ist, was Zucker mit dem Körper macht. Ich war einfach nicht der Überzeugung, dass eine zuckerfreie Ernährung mein Leben auf den Kopf stellen wird.

Trotz meiner Prognose konnte ich ein paar positive Nebeneffekte des Experiments feststellen. Zum einen war der irrationale Heisshunger nicht mehr da. Ihr kennt das Gefühl, plötzlich Lust auf Schokolade zu haben, obwohl ihr eigentlich satt seid? Ich kannte das Gefühl für ein paar Wochen nicht. Und es war ein schönes Gefühl, diese Abhängigkeit nicht mehr spüren zu müssen. Andererseits kann ich zwar nicht berichten, dass ich mehr Energie hatte, aber sie war über den Tag verteilt etwas ausgeglichener. Die Hochs waren nicht mehr so hoch aber auch die Tiefs waren nicht mehr so tief. Des Weiteren ist mir (und auch Lia) aufgefallen, dass meine Haut weniger unrein war und ich allgemein gesünder aussah.

Wie weiter? Werde ich weiterhin auf Zucker verzichten?

Die Antwort lautet nein. Gänzlich auf raffinierten Zucker zu verzichten, wäre über die Dauer zu umständlich. Das soll nicht bedeuten, dass ich nichts vom Experiment gelernt habe und keine Schlüsse ziehe. Ich will definitiv weniger Zucker essen und mehr darauf achten, was genau in meinem (Fertig-)Essen steckt. Um meine zukünftige Ernährung etwas mehr in den Griff zu bekommen, habe ich mir fest vorgenommen, nur noch am Wochenende und speziellen Tagen (Geburtstage, Weihnachten etc.) im grösseren Rahmen Zucker zu essen.

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