Baby-led weaning (BLW) – Lasst das Chaos beginnen

Wie bereits in vergangenen Beiträgen muss ich auch hier mit einer wichtigen Mitteilung vorangehen. Ich bin kein Experte! Was hier niedergeschrieben ist, sind nur meine (und Lias) Erfahrungen und ich bin nicht in der Position, das baby-led weaning für andere zu empfehlen oder davon abzuraten. Baby-led weaning ist ein heiss umstrittenes Thema zu dem auch die Wissenschaft noch keine grossen Schlüsse gezogen hat. Umfangreiche Informationen zum Thema findet ihr beispielsweise auf der Webseite der WHO.

Als die Frage der ersten festen Nahrung bei uns aufkam, stand eines fest: Es würde (fast) keinen gekauften Brei geben. Nebst des Preises sind diese nicht frisch zubereitet und verursachen eine Menge Müll. Auch wenn das Glas rezyklierbar ist, braucht die Herstellung und der Transport eine Menge Energie bis es bei uns im Kühlschrank steht. Gleichzeitig versuche ich den wohl bekanntesten Hersteller von Babybrei in allen Lebensbereichen zu vermeiden.

Bei uns sollte deshalb nur Selbstgemachtes aufgetischt werden. Lia wurde durch diverse Instagram-Mums auf den Trend des baby-led weanings aufmerksam und die Idee stiess auch im Hause Lia & Liam Anklang. Je mehr wir über die Breinahrung nachdachten, desto unnatürlicher kam es uns vor. Unser Böhnchen sieht gar nicht, was es aufgetischt bekommt.

Nach einer Abklärung mit dem Kinderarzt stellten wir uns darauf ein, uns dem momentan heissesten Trend der Babyernährung anzuschliessen. Der Begriff heisst übersetzt ungefähr baby-geführtes Abgewöhnen. Die Idee dahinter ist einfach: Anstelle von Brei kriegt das Baby Fingerfood, das es selbst essen soll. Kein Brei, kein Plastikbesteck und kein „Flugzeug spielen“, es soll dabei wie Daddy und Mami an den Tisch sitzen und zu regelmässigen Zeiten essen (oder für Chaos sorgen).

Böhnchen ist Taktgeber

Als Böhnchen ungefähr vier Monate alt war, fragten wir uns zum ersten Mal, ab wann es überhaupt sinnvoll wäre, die Muttermilch mit richtigem Essen zu ergänzen. Unser Kinderarzt meinte bei einem Untersuch dazu: Böhnchen wird es euch auf seine Art mitteilen, ihr werdet wissen, wann er bereit sein wird. Und so sollte es auch sein.

Sobald Böhnchen ohne Unterstützung sitzen konnte, durfte er sich in seinem eigenen Hochstuhl zu uns an den Tisch setzen. Tag für Tag wurden Daddy und Mami beim Essen genauestens beobachtet. Aus Neugierde wurde schnell Faszination und noch schneller Neid. Die kleinen Hände bewegten sich immer mehr in Richtung Gabeln und der Mund ging auf und zu. Es war an der Zeit. Wie prophezeit hat uns Böhnchen zweifellos mitgeteilt, dass er für festes Nahrung bereit ist. Das war, als er ungefähr fünfeinhalb Monate alt war, also im perfekten Alter für den Einstieg in die Kunst des Essens.

Böhnchen möchte am liebsten immer selbst essen.

Brei als Einstieg in die feste Nahrung

Angefangen haben wir, wie manch andere, mit Brei. Ein paar Werbegeschenke hatten wir noch auf Lager und den Rest haben wir grösstenteils selbst zubereitet. Der Einstieg mit Brei macht Sinn, um dem Baby das Schlucken fester Nahrung anzugewöhnen. Jegliches Gemüse im Kühlschrank wurde gesotten, püriert und verfüttert.

Bereits da fiel uns auf, dass Böhnchen am liebsten den kleinen Plastiklöffel selbst in die Hand nehmen würde. Gaben wir den Löffel in seine Hände, landete er meistens auch irgendwann und irgendwie in seinem Mund, der Brei war meist auf dem Boden. Es war als ob er uns „ich kann das auch selbst“ sagen wollte. Er sollte dabei nicht ganz Unrecht haben.

Erste Versuche mit Fingerfood

Aller Anfang ist schwer und so war es auch dieser. Nicht, weil Böhnchen nicht mitmachen wollte sondern weil wir gerade zu dritt im Urlaub waren. Nicht immer war es einfach, etwas passendes zu finden und so mussten wir trotzdem immer wieder zum Glas greifen. Hatten wir einen Kochherd zur Verfügung, versuchten wir immer auch für den nächsten Tag etwas zuzubereiten.

Da wir darauf fixiert waren, Böhnchen das selbstständige Essen beizubringen, kauften wir zudem Zwieback (oder ähnliches), Früchte (hauptsächlich Bananen und Avocados) und Gurken ein. Diese konnte Böhnchen zwar wegen fehlender Zähne noch nicht wirklich verbeissen, aber darauf rumkauen war möglich und machte offensichtlich eine menge Spass.

Essen gegen das mühsame Zahnen

Ein höchst erfreulicher Nebeneffekt des baby-led weaning war, dass Böhnchen anfing, sein Essen zur Linderung des schmerzhaften Zahnens zu verwenden. Fiel uns auf, dass einer seiner noch nicht ganz vorhandenen Zähnen Schmerzen verursacht, griffen wir schnellstmöglich zur Wunderwaffe: Die Gurke aus dem Kühlschrank.

Der letzte Teil ist wichtig, die Kälte scheint auch seinen Beitrag gegen diese lästigen Schmerzen zu leisten. Gurken sind das perfekte Essen und haben unser schreiendes Böhnchen bereits mehrmals zur Ruhe gebracht. Nicht nur das, Gurken kleben nicht, was sie tauglich für unterwegs machen und uns tägliche Putzarbeiten erspart. Heute noch setzen wir die kalte Gurke ein, sobald uns auffällt, dass ein Zahn plagt.

Essen wie Daddy und Mami

Uns war wichtig, dass sich Böhnchen nicht ausgeschlossen fühlt. Essen wir selbst Gemüse, wird immer auch ein wenig davon für Böhnchen zubereitet. So machen wir das Essen nicht nur für Böhnchen fair sondern auch für uns einfacher. Zuhause hat Böhnchen seinen eigenen Hochstuhl mit Tablett und Teller. Somit ist er fast auf gleicher Augenhöhe wie Daddy und Mami und fühlt sich nicht ausgeschlossen.

Die Kombination machts aus

Für uns stand nach wenigen Versuchen fest: Jede Mahlzeit so zu verkosten würde unsererseits einen zu grossen Aufwand bedeuten. Zweimal täglich den Fussboden wischen und ein dreckiges Böhnchen abduschen ist genug. Fingerfood würde es also nur zum Mittagessen und Abendessen geben. Und so haben wir das auch bislang fortgesetzt.

Nicht immer kommt baby-led weaning zum Einsatz. Zum Frühstück und Zvieri gibt es Porridge.

Unsere bisherige Erfahrung nach ungefähr drei Monaten hat gezeigt, dass eine Kombination von baby-led weaning und füttern möglich ist und vielleicht sogar seine Vorteile hat. Da während des baby-led weanings ein Teil des Essens immer auf dem Boden landet und der Prozess im allgemeinen anstrengender für Böhnchen ist, scheint die Fütterung doch noch für eine grössere Sättigung zu sorgen.

Porridge zum Frühstück und Zvieri

Anstelle von Brei isst Böhnchen sein Frühstück wie Daddy und Mami. Wie bei uns wird Porridge serviert. Unser perfektes babytaugliche Porridge enthält vier Grundzutaten: Eine Frucht, eine Nuss, Joghurt oder Quark und Getreide.

Als Frucht eignet sich alles, was zerdrückt oder geraspelt werden kann. Auch Beeren werden manchmal dazugegeben. Als Getreide nehmen wir abwechselnd Hirse- und Haferflocken und runden das ganze mit wenig Joghurt ab. Da Nüsse essen mit zwei Zähnen noch nicht möglich ist, gibt es die entweder in gemahlener Form oder als Erdnussbutter (ungezuckert und ungesalzen). Anzumerken ist, dass Nüsse potenzielle Allergene sind. Deshalb muss die Reaktion des Kindes bei der Einführung gut beobachtet werden.

Alles mit ein wenig warmem Wasser vermischen und Böhnchen hat sein Frühstück. Mir ist trotzdem wichtig, dass Böhnchen dabei ist, wenn ich sein Frühstück zubereite und mir genau zuschauen kann. Im Übrigen ist dies eine gute Möglichkeit, viel mit ihm sprechen.

Endlich frühstücken!

Chaos zum Mittag- und Abendessen

Beim Mittag- und Abendessen fängt der Spass an. Da darf Böhnchen selbst mit eigenen Händen essen. Und wie er es liebt! Diese Mahlzeiten bereiten wir entweder am gleichen Tag zu oder wir haben noch etwas vom Vortag im Kühlschrank. Das Essen selbst ist nur die Hälfte des Spass‘. Sein Fingerfood wird im Gesicht oder in den Haaren verstrichen und landet auch immer wieder auf dem Boden.

Dabei darf das Trinken nie vergessen werden. Gemüse enthält eine Menge Ballaststoffe und weniger Flüssigkeit als das tägliche Porridge. Böhnchens Schnabeltasse wird stets im Blickfeld platziert und wird mehrmals während der Mahlzeit angeboten. Im Urlaub litt er einmal vermutlich an Verstopfungen und die Folgen waren weder für ihn noch für uns sehr amüsant.

Jedem Essen folgt eine grosse Putzaktion. Nicht immer reicht ein Lappen, wenn z.B. beide Nasenlöcher voller Kartoffelbrei und die Haare voller Kürbisstücke sind, wandert Böhnchen gleich unter der Dusche.

Was unser Böhnchen im Rahmen des baby-lead weanings isst

Da wir beide keine Lebensmittelallergien haben, haben wir uns in der Auswahl an Essen nicht gross eingeschränkt. Trotzdem wird vor jedem neuen Essen kurz recherchiert, ob dieses für Babies verträglich ist. Ausgeschlossen wird zudem jeglicher raffinierter Zucker und Salz.

Heute, nach ungefähr drei Monaten des baby-led weanings, ist Böhnchen immer noch mit einfachem Essen zufrieden: Hauptsächlich weich gekochtes oder im Steamer zubereitetes Gemüse und Früchte. Zudem gibt es ab und zu etwas exotisches wie Mango oder Avocado. Seit neustem kriegt er manchmal auch ein Brötchen. Dies ist aber immer noch ein Ausnahmefall und nicht die Regel.

Böhnchen wird sich freuen. Heute gibt es Pastinaken und Karotten als Fingerfood!

Vorteile des baby-led weanings

Die Vorteile des baby-led weanings waren für uns schnell zu erkennen. Böhnchen kann das Essen selbst anfassen und erforschen. Der Prozess des Essens ist somit auch aufwändiger und manchmal frustrierend. Jeder Bissen wird genauestens untersucht und von allen Seiten angestarrt. Immer wieder neue Texturen und Geschmäcker im Mund zu haben, ist sicherlich auch interessanter für ein Baby.

Unsere Hoffnung ist, dass das baby-led weaning auch langfristige Vorteile haben wird. Glücklicherweise haben wir kein heikles Baby und hoffen, dass er diese Eigenschaft auch durch die Kindheit hindurch beibehalten wird. Böhnchen soll eine gesunde Einstellung zum Essen haben und sich nicht davor fürchten, neues zu probieren. Die Welt ist voller interessanter Küchen und kein Geschmack soll ihm vorenthalten sein.

Nachteile des baby-led weaning

Nicht viele wollen darüber sprechen, aber das baby-led weaning hat auch seine Nachteile. Zum einen kostet es Zeit in der Zubereitung. Jede Kartoffel, jeder Kürbis und jede Karotte muss so zubereitet werden, dass es Böhnchen essen kann. Das heisst, die Stücke dürfen nicht zu gross sein und müssen weich gekocht werden. Einfach ein paar Gläser beim Wocheneinkauf in den Korb zu stellen, bräuchte bestimmt weniger Zeit. Gläser können zudem gelagert werden, das frisch zubereitete Gemüse aber nicht.

Zum anderen kosten auch die Folgen Zeit. Nach dem Essen auf der Couch entspannen, gehört der Vergangenheit an. Zuerst muss alles wieder sauber gemacht werden, denn alles ist mit einer Schicht Essen bedeckt: Der Boden, der Hochstuhl und nicht zuletzt, auch Böhnchen. Kurzum: Das baby-led weaning kostet viel Zeit. Für uns lohnt sich dieser Aufwand. Baby-led weaning ist auswärts auch eher schwierig, also greifen wir ab und zu auch mittags und abends zum Brei.

Kürzlich habe ich über das Wickeln geschrieben und auch da habe ich eine gröbere Änderung festgestellt: So viel Gemüse führt zu interessanten Gerüchen. Mehr muss dazu nicht erwähnt werden.

Baby-led weaning sorgt für eine Menge Chaos

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